16. bis 25. Mai 2023 Lörrach.
Dienstag, 16. Mai 2023
Anreise über A33, A44, A7, A5. Wetter zum Fahren ok. Kein einziger Stau. Einmal hart in die Eisen, das Auto schlingerte, aber es ging noch gut. Auf der A5 in den hessischen Bergen wollten wir, wie damals in den 1980/90er-Jahren, an der Raststätte Rimberg anhalten. Damals, da wurden wir (Ralf Schalk und ich) mehrmals von Onkel Rudi mitgenommen zur Frankfurter Messe. Bei ihm ging es um „Geschäfte“, Ralf Schalk besuchte die zeitgleiche Musikmesse und ich hatte das touristische Rahmenprogramm auf dem Schirm. Bei Rimberg war immer Einkehr und es gab zu Raststätten-Preisen ein Frühstück. Heute allerdings war die Optik vor Ort so beschaffen, dass wir es bei einem Coffee to go beließen. Damit hatten wir mal wieder einen Mythos zum Platzen gebracht. Bei der Weiterfahrt machten wir kurze Zeit später eine typische Entdeckung: Rechts huschte die Raststätte Reinhardshain Nord vorbei. Und siehe da: die wäre es gewesen – nicht Rimberg. Der geplatzte Mythos setzte sich zumindest theoretisch im Geiste wieder zusammen – was noch irgendwann zu verifizieren wäre.
Bildergalerie : Suttersmattstraße
Lörrach ist an den Rändern gebirgig, die City aber noch ohne schärfere Anstrengung zu erreichen. Wohnung und Siedlung sind ordentlich, sauber, halbcool und aufgeräumt. Wenig Vögel, keine Hunde. Man schaut auf Berge ringsum. Das ist für uns Nordlichter, die an Nord- und Ostsee von der Normandie bis Südschweden jeden Meter* kennen, ungewohnt. Die erste Erkundungs- und Einkaufstour (ein großer moderner REWE) war kein gesteigertes Erlebnis wegen des Wetters. Mitte Mai, und immer noch kalt | grau | windig. Abends passierte nichts mehr.
*übertrieben.
Bildergalerie : Lörrach
Mittwoch, 17. Mai 2023
Brötchen von Heitzmann. Heitzmann ist nix dolles, hat aber blaue Tüten. Nach dem Frühstück eine Erkundungstour ohne bestimmtes Ziel. Zunächst nach Weil am Rhein. Im Fahrradkeller parkten eine Menge Fahrräder der anderen Bewohner, und viele waren mit Zetteln namentlich gekennzeichnet. Eines sogar mit dem Zusatz: „Dieses Fahrrad bleibt stehen. | P. Maier | B.03“. Rein und raus waren wegen der vielen selbst schließenden Türen und Niveau-Unterschiede sehr umständlich. Wir beschlossen, ab sofort den Keller nicht mehr zu benutzen. Über ein kleines Stück Schweizer Gebiet ging es bergauf nach Weil. Die Mutter argwöhnte, Höhenmeter sind wohl nicht ihrs. Bald waren wir oben und durchquerten die Weiler City, die aussah wie eine 1950er-Jahre Wiederaufbau-Stadt, allerdings nicht ärmlich-deprimierend und nicht unbelebt. Dazu schreibt die Homepage der Stadt Weil:
Seit 1934 stellt auch der Rheinhafen einen wichtigen wirtschaftlichen Standortfaktor dar. Prägend für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war der erneute Zuzug von Menschen durch Flüchtlinge und Gastarbeiter, und bewirkte ab den 1960er-Jahren einen Bauboom entlang der mehr als vier Kilometer langen Hauptstraße zwischen Alt-Weil und Friedlingen. Diese markante Verbindung macht es den Stadtplanern bis heute schwer, ein intaktes Stadtzentrum zu entwickeln.
Richtig hässlich war das „Rhein-Center“, ein Einkaufsparadies auf der Grenze zu Frankreich im ausgeprägt schlimmen Baustil der 1990er Jahre.(etwa: wie ein Hundertwasser-Bau ohne bunte Bemalung).
Vom Blick der Brücke über gigantische Bahnanlagen, die sich von Weil bis zum badischen Bahnhof in Basel ziehen, hatten wir uns mehr versprochen. Oder es lag am grauen Wetter. Huningue (F) machte einen so langweiligen Eindruck, dass wir den Impuls, in einem französischen Supermarkt, z.B. Super-U, Wurstwaren und Käsespezialitäten zu kaufen, sofort verloren. Wir entdeckten, dass der Rheinradweg nach Süden nicht um die Industriekomplexe von Novartis herumgeführt wird, sondern direkt am Fluss verläuft. Schon wurde es sonniger und bald erreichten wir die französisch-schweizerische Grenze und damit Baseler Stadtgebiet. Nun hielten wir Ausschau nach den Schwimmern. In allen Reiseführern ist zu lesen, dass die Baseler normalerweise ihre Klamotten wasserdicht zu einem „Wickelfisch“ zusammenknüddeln und den Weg zur Arbeit (Bankfilialen und Investment-Büros) den Rhein runterschwimmend zurücklegen. Heute führte der Rhein zwar kein Hochwasser, hatte aber einen selbst von uns als „gut“ zu bezeichnenden Wasserstand, war unerwartet breit (nicht viel schmaler als in Köln und Düsseldorf) und ziemlich schnell. Waren diese Umstände der Grund, dass wir niemanden zur Arbeit schwimmen sahen ?
In Basel herrschte schläfrige Geschäftigkeit. Man muss dort jedoch gut auf Radfahrer (Velofahrer) achten, die immer und überall von allen Seiten nach überall hin wollen und natürlich die Vorfahrt, die älteren Rechte und die bessere Technik haben. In der City konnten wir uns den gefürchteten Blick auf Preisschilder nicht verkneifen. Vorweg: der Kurs EUR / CHF ist nahezu gleich. Preisbeispiele: Eine Box mit 20 Designer-Filzstiften = 220,00 CHF. Ein Croissant (Gipfli) 3,00 CHF. Für 2 x Quiche Lorraine mit Salatbeilage und Wein legten wir allerdings nur 50 CHF hin, geradezu billig. Obendrein war die Bedienung nett und war sich nicht zu schade, mit uns vegleichsweise unhelvetisches Normaldeutsch zu sprechen. Ein Problem war das Parken (hier: Parkieren). Fahrrad fahren ging überall, Parkieren nirgends, es ist durchweg unerwünscht. Unser Besichtigungsziel Bahnhof SBB schien fast unmöglich. Zum Schluss parkierten wir illegal an einen Straßenschild, welches ausnahmsweise keine Schild auf dem Schild hatte „Parkieren verboten!“ Es gab an wenigen Stellen in Randzonen markierte Felder auf dem Boden, wo es erlaubt war. Anlehnhilfen oder Bügel gab es nahezu keine, die Fahrräder sollen bitte frei in der Luft schweben. Auf einer Runde zu Fuß kamen wir durch alle wesentlichen Straßen der Fußgängerzone bis zum Kunstmuseum und auf der Hochfläche am Rhein zurück zu den Velos. „Velo“ ist ab sofort in unserem Sprachgebrauch. Zwischendurch besichtigten wir das (reformierte) Münster und kehrten, wie oben erwähnt, ein. Runde 2 mit dem Velo auf der Suche nach dem Bahnhof SBB. Wir gerieten zu weit nach rechts und waren schon fast in den Alpen, bis wir wieder umkehrten und zu gueter Letscht den Bahnhof SBB fanden, von dem wir uns etwas mehr verschproche hatte. Die historische Halle ungemütlich und kaum modernisiert, der mit Läden flankierte Überweg zu den den Bahnsteigen nicht besonders gelungen und der angeblich neue Bahnhofsanbau SNCF machte auch nichts her. Zurück ging es über die Wettsteinbrücke, an den Roche-Hochhäusern und dem Badischen Bahnhof entlang über extrem laute autobahnartige Pisten bis zur Wiese. Ab dort, durch den Wald bis Lörrach, hielt man es wieder aus. Ein abendlicher Spaziergang führte nach Lörrach City, um den gelungen modernisierten Top-Supermarkt Hieber zu entdecken (mit Kleinkauf) und bei Osiander ein Buch zu bestellen. Es war schon wieder kalt | grau | windig.
Bildergalerie : Weil am Rhein + Vitra Museum
Weil hat einen kleinen, etwas abseits gelegenen alten Ortskern und eine 1960er-Jahre Neustadt. Geteilt durch gigantische Bahnanlagen, die als Verlängerung des Badischen Bahnhofs in Basel angesehen werden können. Mit dem Ortsteil am Rheinufer ist Weil nur durch eine einzige Straße und einer Bahnbrücke verbunden. Das die Stadt direkt in Basel übergeht, merkt man nur an den anscheinend nicht mehr aktiv betriebenen Grenzkontroll-Einrichtungen.
Der Design-orientierte Stuhl- und Möbelhersteller Vitra betreibt als wirksame Öffentlichkeitsarbeit einen international beachteten Design-Campus mit Gebäuden bedeutender Architekten, einem Museum, Showroom, Gartenkomplex und Gastronomie.
Bildergalerie : Basel
Bildergalerie : Velo und Rhein-Waterfront
Radfahren – mit dem Velo – ist im Grenzgebiet eine Sache der Konzentration und Aufmerksamkeit. Es wird viel und schnell gefahren. In Basel sieht man viele alltagstaugliche Rennräder alten Typs, gerne in Silber-Optik und mit Ledergriffen.
Donnerstag 18. Mai 2023 · Krischti Himmelefahrt
Morgens noch sonnig, ab Mittag usselte das Wetter ab, danach gewohnt kalt | grau | windig. Wir stiegen durch Weinberge im Grenzgebiet zu Fuß auf bis zur alten Kapelle Obertüllingen, genossen die weite Aussicht bis Basel, Norvartis und zum Flughafen Saint Louis und kletterten durch weitere Weinfelder wieder hinab nach Weil am Rhein, wo es zunächst durch öde und ermüdende Wohnsiedlungen – weitgehend ohne PV-Anlagen (und das im Land des grünen Landesvaters) und mit gar keinen Wärmepumpen bis zur tatsächlich so heißenden „Hauptstraße“ ging, auf der wir bis zum Bahnhof gelangten und dort den Plan aufgaben, noch bis zum Rhein bei Weil-Friedlingen weiterzulaufen und bei „Reina Café“ einzukehren. Statt dessen kauften wir per Bahn-App eine Fahrkarte und fuhren mit der von SBB betriebenen S-Bahn zurück zur Wohnung. Nun waren wir platt. Gegen 17.30 ging es wieder und wir radelten über Riehen (CH) und Basel nach Grenzach-Wyhen (D). Beeindruckend waren die Villen-Viertel und die Rhein-Staustufe mit Wasserkraftwerk. Durch drei geöffnete Tore fiel das Wasser ungefähr 6 Meter in die Tiefe und der Anblick konnte einen schwindelig machen. Hoffenlich träumen wir nachts nicht davon.
Bildergalerie : Landschaft am Oberrhein
Freitag, 19. Mai 2023
Das Wetter bot weniger als gestern noch für heute versprochen. Um 9.30 Uhr starteten wir zu der Radtour, die uns Opa Högg per handschriftlich verfasstem und vor der Tür abgelegtem Zettel empfohlen hatte. Über Weil – diesmal mehr „unten rum“ ab Huningue (F) den gleichnamigen Kanal rauf bis Wasserkraftwerk Kembs und wieder runter über die Île du Rhin am Granal Canal d’Alsace und bei der Barrage Märkt (alles großartige Namen) wieder über den Altrhein nach Eimeldingen, Haltingen, Weil. Ganz schön. Auig, ruhig, meditativ. Aber auch abschnittsweise sehr mückig und eintönig. In Weil gerieten wir auf den Vitra-Campus. Da Möbel-Design als solches betrachtet nicht so unsers ist, beließen wir es beim Garten und dem großen gratis Showroom „Vitra-Haus“ in der Architektur von Herzog & de Meuron (erinnert an übereinander gestapelte Hühnerställe). Besucher waren außer uns jüngere und ältere Vertreter vom Typ „reich und schön“. Wir sahen Frauen, die Leica Kameras der 8000 € Klasse mitschleppten. Das touristische Rahmenprogramm bestand aus dem Kauf von 2 Stück sehr sehr gutem Käsekuchen an der Weiler Hauptstraße, Verzehr zuhause. Da es noch früh war, war nun der richtige Zeitpunkt, um den seit Wochen geplanten Besuch bei Inge Ziegler-Müller, ihres Zeichens Frisörin, durchzuziehen. Inges Mitarbeiterin Renate war nett, sprach aber so heftig echtes oder abgeleitetes alemannisch, dass wir nichts verstanden und nur blöde grinsend nicken und so tun konnten, als ob. Später war noch Zeit für einen Großeinkauf bei Super duper Hieber (Edeka) und zur Feier des Tages Einnahme eines Drinks am Markplatz. Außerdem besuchten wir den italienischen Metzger Capizzi direkt neben Inge. Es ging extrem italienisch zu. Man sprach wenig Deutsch. Trotz 4 Leuten Personal ging es nicht voran. Eine Mitarbeiterin war dabei, in aller Seelenruhe eine Käseplatte zusammenzustellen. Langsam pellte sie eine Apfelsine ab, um die Stückchen zwischen dem Käse zu dekorieren. Danach waren Sternfrucht und Weintrauben dran. Irgendwann lag es an uns, 100 Gramm italienische Salami zu kaufen, um nicht westfälisch von Mettwurst zu sprechen. Unverblümt wurden wir gefragt, ob wir auch gekochten Schinken wünschten. Vor Verblüffung sagten wir Ja. Sämtliche Ware wurde in Lagen verpackt und gewickelt. Zum Schluss musste man damit 3 Schritte auf die andere Seite wechseln, wo Mitarbeiter Nr. 2 an einem Tisch stand und die Kasse führte. Man zahlte jedoch nicht mehr in Lire, sondern per Karte.
Samstag, 20. Mai 2023
Wie immer kalt | grau | windig. Nach dem Frühstück zögerten wir den Aufbruch zu Fuß in die Stadt so lange hinaus, bis es etwas wärmer wurde. Zuhause fühlen wir uns hier nicht, aber Lörrach hat durchaus Qualitäten. Eine kompakte, intakte, belebte, kleinteilige und abwechslungsreiche City ohne viel Leerstand, ohne sichtbare Fehlentwicklungen und ohne Übermaß an Baustellen. Dafür viele kleine Geschäfte, ein zentraler Marktplatz als Treffpunkt, eine Bahnlinie mit passenden Haltestellen in der Innenstadt sowie alte und neue Architektur. So hatten wir uns zuhause den Schwarzwald nicht vorgestellt, eher so: Niedrige verbretterte Schwarzwaldhäuser mit weit überrstehenden Dächern. Dörfer mit Fachwerkhäusern und Brunnen. Männer mit Kniebundhosen und Frauen in langen Röcken, weißen Schürzen und breiten Hüten mit roten Bommeln oben drauf tanzen in der Runde. Wenn sie fertig sind, staunen sie ihre Kuckucksuhren an. Womöglich ein stereotypes Vorurteil. Bei Buchhandlung Osiander holten wir das zweite bestellte Buch ab. Zur Feier, dass das geklappt hatte, kehrten wir bei Café Bade an der Basler Straße auf Kaffee + Kuchen ein.
Am späten Nachmittag, so gegen 16 Uhr, brachen wir auf zu einer 30-km Radtour mit zwei Zielen: Das Museum Tinguely und das archäologische Denkmal „Römischer Brückenkopf“ hinter Grenzach-Wyhlen. Zunächst schauten wir uns kostenlos den Hof des Museums „Fondation Beyeler“ in Riehen an. Tinguely erreichten wir über teilweise unschöne Pisten im höllisch lauten Untergeschoss der Autobahn Richtung Zürich / Bern / Luzern. Es hätte angenehmere Wege gegeben. Wir beschränkten uns auf den Besuch des Shops und des frei zugänglichen gläsernen Gangs oberhalb des Rheins, in welchem das Interview für ein Kultur-Feature des SWR gedreht wurde, welches damals als Auslöser für diesen ganzen Urlaub anzusehen ist. Schließlich hatten wir Emden gebucht und zugunstsen Lörrach wieder storniert. Der weitere Weg zum Römer-Brückenkopf zog sich endlos hin, wieder mal durch Gewerbegebiete und auf der vielbefahrenen B34. Auf dem Rückweg fing es leicht an zu regnen. Ohne Einkehr kamen wir nach 18 Uhr wieder zuhause an und bereiteten Kürbis-Ravioli zu, die wir gestern bei der Metzgerei Capizzi gefunden hatten.
Bildergalerie : Basel Museen : Tinguely · Fondation Beyeler · Kunstmuseum · Papiermühle
Die Architektur des Tinguely am Rheinufer stammt von Mario Botta, deren dolle Kirche wir mal (2004) im Centovalli-Tal besuchten. Das Museum wurde von Roche gestiftet. Eine Interview-Szene im verglasten Gang zwischen zwei Gebäudeteilen, die wir im SWR Fernsehen gesehe hatten, war der Auslöser für diesen Urlaub.
Die Fondation Beyeler ist ein bedeutendes privates Kunstmuseum in Riehen, Kanton Basel Stadt. Vergleichbar mit Museum Küppersmühle in Duisburg. Architekt Renzo Piano.
Der Erweitungsbau des Kunstmuseum Basel (2016) der Architekten Christ & Gantenbein war nicht unsers.
Das Hauptgebäude des heutigen Papiermuseums Basler Papiermühle war ursprünglich eine Kornmühle, die dem Kloster Klingental gehörte. 1453 wurde sie durch Anton Gallizian zu einer Papiermühle umgebaut.
Sonntag, 21. Mai 2023
Für heute war den ganzen Tag Sonnenschein angesagt. Daher warteten wir zunächst bis 11 Uhr ab, was das Wetter daraus zu werden gedenkt und verließen um 11 Uhr zu Fuß die Europäische Union. Zuvor hatten wir eine Ticket-App runtergeladen und unsere Kreditkartennummer hinterlegt. Mit der Tram Linie 6 ab Riehen Grenze ging es bis Station Barfüsserplatz. Ziel: Das Museum „Basler Papiermühle“. Anschauliches zum alten Handwerk der Papierherstellung und der Buchdruckkunst. Folgende Mitbringsel fielen durch interaktive Betätigungsmöglichkeiten für uns dabei ab: 2 Bögen selbst marmoriertes Papier, ein handgeschöpftes Blatt Büttenpapier mit Wasserzeichen (Basler Wappen) und ein DIN A4-Bogen mit selbstgetipptem Text auf einer historischen CONTINENTAL Schreibmaschine. Nun waren wir halbmüde. Zu Stärkung bzw. eher zur Nicht-Stärkung kehrten wir unter Kastanienbäumen bei einer Buvette ein auf ein Glas Chardonnay und ein Nuss-Eis (hier Gelato genannt). Das Eis war wie früher in Deutschland: schmeckte wie Nuss-Eis alten Typs, also nicht zu süß, wie das heute leider üblich ist. Etwas bleiern ging es weiter zur zweiten Station: Das Kunstmuseum Basel, welches aus 3 Häusern besteht. Die Gegenwartskunst war zu abgelegen, die ließen wir schon mal aus. Zunächst besichtigten wir den sog. „Neubau“ mit riesigen Sälen und großen Formaten. Die vielgelobte Architektur gefiel uns bis auf ein paar Details eigentlich nicht. Zuviel abwechlungsloser grauer Marmor und der Rest auch ziemlich öde und grau. Völlig groggy und mit dem Gefühl, durchzubrechen verließen wir das Museum, die Stadt und die Straßenbahn, ja, die ganze Schweiz und reisten wieder in die EU ein. Zuvor waren wir ein zweites Mal bei jener Buvette am Rhein schräg gegenüber den Roche-Türmen eingekehrt und hielten nach Rhein-Schwimmern Ausschau. Ja, heute gab es sie vereinzelt. Als spätes Mittagessen gönnten wir uns Pinsa und Bier.
Montag, 22. Mai 2023
Um 7.45 war der Kiosk noch nicht geöffnet. Wir fuhren weiter hoch in die City und fanden den Vorkassenzonenbäcker bei Hieber im Tiefgeschoss geöffnet. Auf die Bitte, nur eine Zeitung kaufen zu wollen, reagierten sie enttäuscht: „mehr nicht ? Wir haben heute so viel !“ Wir versprachen, morgen mehr zu kaufen.
Nach dem Frühstück ging es über die A98 (obwohl uns Google Maps über die B316 schicken wollte) nach Rheinfelden (Baden). Wir fanden einen Parkplatz etwas außerhalb und starteten die geplante Radtour nach Bad Säckingen auf der deutschen Rheinseite. Industrieabschnitte wechselten sich ab mit idyllischen stillen Uferzonen. Da im Hintergrund immer Berge zu sehen sind, könnte man die Landschaft unbedarfterweise auch für die Donau halten – jedenfalls ist sie ganz anders als am Niederrhein. Noch immer führt der Fluss reichlich Wasser, was uns sehr froh macht. Schwörstadt erwies sich eher als Schwördorf. Es gab nichts außer der Bäckerei Pfeiffer und dort kauften wir ein Frikadellenbrötchen, welches sich später beim Verzehr als Fischfrikadellenbrötchen süß-sauer herausstellte. Dem vermeintlichen Croissant aux Amandes war von vornherein anzusehen, dass es mit dem ersehnten Original nichts zu tun hatte. Bemerkenswert war die Zahlungsabwicklung : Das Geld reichte man nicht über die Theke, sondern warf es in eine Bargeldannahmemaschine, die auch Rückgeld geben konnte. Nix neues, aber nicht beim Dorfbäcker erwartet. Kurze Zeit später erfolgte unsere glorreiche Einfahrt in Bad Säckingen, wo wir wegen der unvorsichtigen Brötchenmahlzeit zuvor nun leider nicht bei der reichlichen und einladenden Gastronomie speisen mochten. Nach 2 Runden durch die Altstadt und die Münsterkirche St. Fridolin mit der Klais-Orgel von 1993 inspizierten wir die gemütliche Holzbrücke über den Rhein im Stil der Kapellenbrücke von Luzern. Auf der anderen Seite fuhren wir nun überwiegend auf Schotterwegen durch Stein (AG), Mumpf und einen ausgedehnten Wald nach Rheinfelden (CH), dem „eigentlichen“ Rheinfelden. Wir denken an Rudolf von Rheinfelden, ein Strippenzieher und Gegner Kaiser Heinrichs IV. im 10./11. Jahrhundert, der in der Paderborner Canossa-Ausstellung 2006 irgendwie weiß ich auch nicht mehr so genau. Jedenfalls eine pittoreske Kleinstadt im typischen Schweizer Stil. Im tiefsten Unterholz trafen wir übrigens eine Bestie, eine Mischung aus Schaf und Ziege mit zotteligem Fell und langen gebogenen Hörnern. Wir fragten es : „Tach. Bist du Wassermann, Skorpion oder Zwilling ?“ Das Tier hustete und antwortete mit belegter Stimme „Ich bin Steinbock.“ Ach so. Nach einer Verschnaufpause daheim in Lörrach ging es per Rad auf ein Abendbier an den Rhein unterhalb der Passarelle, die nach Huningue (F) führt. Das Bier schütteten wir im Rekordtempo rein, weil die ganze Zeit ein bereits heftig grollendes Gewitter drohte, vor dem wir trocken heim kommen wollten und das Teil einer Unwetterserie u.a. in Detmold und Lage war. Hier, in Südbaden, tröpfelte es noch nicht mal.
Bildergalerie : Am Hochrhein : Rheinfelden – Bad Säckingen – Stein – Mumpf – Rheinfelden
Dienstag, 23. Mai 2023 Tag der Verkündung des Grundgesetzes 1949
Am Vormittag ging es mit der Tram Linie 6 bis Basel Badischer Bahnhof. Dieser wurde angekündigt als „German Railway Station“. Außen Baustelle, innen lieblos ungemütlich. Blamabel für die Deutsche Bahn. Wir liefen über den Messeplatz unter der spacigen Messehalle durch, dann um die Ecke zu den Roche-Türmen. Das Roche-Personal (ca. 10.000) hatte grade Mittagpause und rannte in die umliegenden Restaurants. Man erkannte sie an ihren baumelnden ID-Cards und Schlüssel-Token. Einige gingen zu „Schöpfli“, eine kleine Garten-Buvette mit gutem Angebot. Auch wir erlagen der Verlockung und opferten unsere letzten Franken für eine Schweizer Bratwurst und einen Klöpfer – auf Risiko, denn wir wussten nicht, was ein Klöpfer ist. Anschließend wollten wir in der Rhein-Galerie im Museum Tinguely Video-Dreharbeiten durchführen. Leider war die Galerie heute gesperrt und wir mussten uns irgendwie behelfen. Nach einem wunderschönen und entspannten Bummel am Kleinbaseler Rheinufer bis zur mittleren Brücke stiegen wir am Claraplatz wieder in die Bahn nach Riehen Grenze. In Riehen besuchten wir der Vollständigkeit halber das parkartig gelegene Museum Fondation Beyeler mit der aktuellen Ausstellung Doris Salcedo. „Arte triste“ traurige Kunst, aber beeindruckend.
Video : Kalle im Tinguely
Bildergalerie : Die Roche-Türme
Roche (Hoffmann-La Roche) ist ein Pharma Unternehmen mit dem Headquarters in Basel. Die beiden Türme am Rhein sind die höchsten Gebäude der Schweiz.
Bildergalerie : Einzelbetrachtungen
- Straßenschilder in Basel sind groß, oft in niedriger Höhe angebracht und erklären in Kurzform die Benennung.
- Bei Tiefbau-Arbeiten in Basel werden Holzverschalungen verwendet.
Immer ist eine Person allein für die Absicherung des Verkehrs abgestellt. Zudem erklären reichlich Plakate den Sinn und die Umstände der Baumaßnahme. - Am Gitter rund um den Roche-Komplex findet man Eckdaten zur jeweiligen Architektur.
- Das typische anzutreffende alltagstaugliche Rennrad
- Der modernisierte Hieber-Markt (EDEKA) im Tiefgeschoss einer Hanglage in Lörrach mit Airport-Atmosphäre
- Abgeteile Felder für Velo-Parking
- Nur ein temporärer Bauzaun – jedoch mit verschönernder Bepflanzung
Mittwoch, 24. Mai 2023
Brötchen von Hieber. Für heute wäre eine schöne Wanderung (kann Wandern schön sein ?) durch die herrlichen Weinberge bei Fischingen geplant gewesen, bei strahlendem Sonnenschein. Aber das Wetter ist doof und wir wissen noch nicht.
Erst um 15 Uhr wurde es besser. Sofort fuhren wir los über Weil, Haltingen und Binzen nach Fischingen. Vor Fischingen ging es rechts ab in die Weinberge, schließlich wollten wir unsere Mission erfüllen. Auf dem Rückweg hielten wir beim Hofladen 5 Schilling an. Der Hofladen wird im industriellen Stil betrieben, und auf dem Parkplatz standen 100 Autos. Es war auf nett getrimmt, fühlte sich aber falsch an. Sehr gut gefiel uns bei einer spontanen Einkehr das Café La Lotta in Binzen: Café, Wein, Bar, Restaurant. Nette Bedienung, cooler Stil, super Kuchen, Sekt rosé. Schließlich kauften wir noch bei der Winzergenossenschaft Haltingen bei guter Beratung flüssige Mitbringsel ein. Nach Rückkehr war eine Velo-Einkaufstour nötig: Zunächst nach Riehen, um bei Denner die letzten Franken für Käse auszugeben. Anschließend nach Lörrach zu Hieber. Das waren noch mal schöne 10 km extra. Die späte vierte Radtour zu den Rheinterrassen an der Passarelle gegenüber Huningue fiel aus. Es war zeitlich nicht zu schaffen, und wieder drohte ein Gewitter. Der Himmel war schwarz, aber es passierte nichts.