Dienstag, 8. Juli 2025
Es ging darum, unter räumlich beengten Verhältnissen ein kurzes bewegtes Video von der Westfassade der katholischen Kathedrale St Sebastian in Magdeburg aufzunehmen, was letztlich auch unter erschwerten Bedingungen halbwegs geklappt hat. Ein Dronenflug-Video wäre die erste Wahl gewesen. Von der Ankunft bis zum entspannten Kaffeetrinken hat die Aktion nur eine Stunde gedauert. Wir waren mit Silke Rossbauer* verabredet, (*Name geändert. Sie ist nach eigenem Bekunden nicht mit dem verfressenen Bischof Rossbauer (Horst Sachtleben) aus der ARD-Serie „Um Himmels willen“ verwandt, wahr ist aber, dass sie eigentlich Schweizerin* ist und nicht in Magdeburg lebt, sondern täglich mit der Bahn aus Hildesheim* einpendelt (*Angaben geändert). Silke führte uns geduldig in die 5. Etage des Roncalli-Hauses, wo uns die dortige Hausdame unter strengen hygienischen Vorschriften Zugang zu einem Gästezimmer verschaffte. Für unseren Slider war es zu eng. Nach den Aufnahmen suchten wir ein nahe gelegenes Café und wir fanden auf die Schnelle in der Nähe das uns bereits seit September 2024 bekannte Café Piano mit dem scharmanten Bechstein-Flügel. Der Kuchen war zu süß und mächtig. Uns traf die Nach-Kauf-Reue, besser bekannt als kognitive Dissonanz. Nach dem obligatorischen Stromtanken auf einem Baumarkt-Gelände fuhren wir weiter zum Kongress-Hotel in Potsdam auf der Grenze zu Geltow.
Das Kongress-Hotel in Potsdam nahe Geltow
Es war heiß. Die Concierge duldete mit einer hochgezogenen Augenbraue eine halbe Stunde Parken vor der Tür. Die 24 € Hotel-Garage konnten wir pfiffig umgehen, indem wir den ca. 300m entfernten DB-Park-and-Ride Parkplatz Bahnhof Pirschheide neben einem wunderbar ranzigen ehemaligen DDR-Kulturzentrum aufsuchten, wo uns unser Deutschland-Ticket zum Gratis-Parken verhalf. Um Gepäck und Fahrräder zu koodinieren, mussten wir mehrmals hin und her pendeln.
Das touristische Rahmenprogramm bestand aus einer Radtour zum Fährpunkt in Caputh. Man erreicht den Ort entweder über eine 15 bzw 18km Umwegstrecke oder mit der Fähre, was natürlich viel schöner ist. Fahrzeit 2 Minuten. Dass wir im gegenüberliegenden Restaurant Zur Fähre noch einen freien Tisch bekamen, war in diesem Moment reines Glück. In so netter und idyllischer Umgebung gegessen haben wir schon lange nicht mehr. Da spielt es keine Rolle, was eigentlich auf dem Teller lag. Als die Dämmerung einsetzte, setzten wir mit der Fähre wieder zurück ans Nordufer der Havel und radelten durch den Wald und durch Geltow zum Hotel. Geltow ist wahnsinnig schön. Das Kongress-Hotel ist ein riesiger Komplex aus den späten 1990ern oder frühen 2000ern mit einheitlicher Archiktektur, bestehend aus 3 langen aufgeständerten Riegeln in Hanglage, die nicht parallel stehen, sondern gespreizt und durch Verbindungshallen untereinander erreichbar sind. Die Hallen haben zwei unterschiedlich schräge gestellte Glaswände, zwischen denen große exotische Bäume und Pflanzen stehen. Dahinter befinden sich die Restaurant-Bereiche. Das alles zu normalen Preisen.
Essen in Caputh
Der Potsdam-Tag
Mittwoch, 9. Juli 2025
Wir gönnten uns ein ausgiebiges Frühstück, das so vielfältig war, dass wir leicht auf Wurst und Käse verzichten konnten. Während des Frühstücks ging es ziemlich wuselig bis hektisch zu, da rundherum sehr viel Personal ständig mit Abräumen und Eindecken beschäftigt war. Am Nebentisch saßen Manuela und Horst. Die Namen haben wir nicht erfragt, nicht erlauscht und nicht erfunden. Wir haben die seltene Fähigkeit, Vornamen treffsicher aus der Physiognomie abzuleiten und erkennen zuverlässig, ob jemand ein Klaus- oder Elvira-Gesicht hat. Das Auschecken nahmen wir nicht, wie empfohlen, online vor, sondern traditionell am gut besetzten Check-in-Tresen während einer kurzen Flaute.
Neben uns fiel eine junge Frau mit einem Hedwig-Gesicht auf. Sie war in Business-Optik unterwegs, führte aber ein neu wirkendes Rennrad mit sich, keine alte Gurke, welches, anders als unsere alten Möhren (Fahrräder vergleicht man also mit Gemüse), nicht draußen, sondern mit auf dem Zimmer übernachten durfte. So weit, so uninteressant, aber : Es handelte sich um ein puristisch ausgestattetes Rennrad in signal-rosa gehaltener Farbgebung der angesagten Marke ROSE, ein Gerät in der 7 kg Gewichts- / bzw. 4000 € Preisklasse (selbstverständlich nicht elektrisch). Im engen, langen Rock stieg sie auf und radelte unter unseren staunenden Blicken zu einem Meeting. Zu unserem großen Bedauern haben wir es nicht gewagt, die Szene zu fotografieren oder zu filmen. Ersatzweise ein Foto von der ROSE-Homepage.
Wir hatten nun frei und verbrachten den Tag bis zum Bezug des Ferien-„Dominizils“ am Havel-Abschnitt Baumgartenbrück (ungefähr dem südlichsten Punkt der Havel) am späten Nachmittag mit dem Abarbeiten der vorgenommenden Besichtigungs-Ziele in Potsdam. Bei morgendlichem und erfrischendem Nieselregen ging es am Havelufer enttlang bis zum Westufer des Park Sanssouci. Überraschung : Anders als 2010, durfte man im Park nur noch auf 2 Wegen radfahren, bzw. das Fahrrad mitführen. Fahrräder sind im Park durchweg unerwünscht. Im Ticketshop beim Neuen Palais kauften wir ein paar Ansichtskarten, darunter ein 3D-Wackelbild mit König Friedrich II. beim Flötenkonzert. Die Park-internen Schlösser Cäcilienhof, Charlottenhof und Belvedere bekamen wir nicht weiter zu sehen. Zum Schloss Sanssouci selbst kletterten wir pflichtgemäß den Hügel hinauf. Dann radelten wir „in die Stadt“. Stadt, so nennen wir mal die Fußgängerzone Brandenburger Straße und die Flaniermeilen Dortusstraße und Lindenstraße. Das Fahrrad schieben ist lästig. In der Brandenburger gab es – für uns neu – eine City-Filiale von IKEA, die im Vergleich zu den großen IKEA’s an den Ausfallstraßen auf süß und knuffig machte. An der katholischen Kirche St. Peter und Paul vorbei (wg. Bauarbeiten geschlossen) gelangten wir zum Barberini Museum. Wir ließen uns filzen und die Taschen kontrollieren, kamen aber nicht über das Foyer hinaus. Unser eigentliches Ziel war das Museum Villa Schöningen auf der Grenze zu Berlin nahe der Glienicker Brücke. Vorher mussten wir einsehen, dass der angestrebte Besuch des Restaurants Garage du Pont nicht möglich war, denn es ist natürlich nur am Wochenende in Betrieb. Freunde hatten hier neulich den Geburtstag einer guten Bekannten aus dem Bundespräsidialamt gefeiert, wo wir leider verhindert waren. Das Museum in der Villa Schöningen war selbstverständlich ebenfalls geschlossen. Schlechte Planung. Immerhin war dessen Café geöffnet. Sie waren cool und lässig drauf und hatten den besten Käsekuchen der letzen 12 Monate im Angebot. Wir griffen zu. Nächste Station : Das MINSK, Kunsthaus in Potsdam. Schönes Foyer in 1960er-Jahre DDR-Architektur, schönes Café, 2 Ausstellungsräume, oben und unten, mit der Note „geht so“ und eine Ausstellung, bestückt aus der Sammlung Hasso Plattner, die uns nicht weiter ansprach. Beim Shop-Angebot „Wolf Biermann-Bleistift“ wären wir fast dem must-have-Impuls erlegen, aber 3 € ließen die Alarmglocke klingeln, und wir widerstanden der Verlockung. Da wir obendrein noch vom Käsekuchen in der Villa pappensatt waren, mussten wir gastronomisch im MINSK einmal aussetzen. Wir radelten nun hintenrum weiter in Richtung Caputh, bogen aber nach ein paar Kilomentern im Wald rechts ab, um eine nicht ausgewiesese Schleichweg-Abkürzung nach Geltow zu nehmen, nämlich am Bahndamm entlang. Nicht ausgewiesen, weil man zu Fuß bzw. das Fahrrad tragend über viele Stufen und ca. 10 Höhenmeter zur Bahnbrücke über den Templiner See raufklettern muss. Und wieder runter. Wir sahen arme Menschen, die dieses Manöver mit tonnenschweren E-Bike-SUV’s übten. Ab Bahnhof Pirschheide stand dann wieder unser Auto zur Verfügung, um die letzten 3 Km zur Ferienwohnung bei Baumgartenbrück zu fahren.
Potsdam an einem Tag
Die Ferienwohnung am Schwielow-See
Adele, die Eigentümerin, ließ sich nicht blicken. Wir checkten automatisiert ein und fuhren mit dem Rad zu REWE in Geltow. Passend zur Abenddämmerung machten wir noch einen Gang am Wasser entlang : Alt-Geltow, Baumgartenbrücke, Precise Resort Schwielowsee. Prächtiger Sonnenuntergang. Das Haus hat eine sehr schöne Lage mit Seeblick, wenn auch nicht direkt am Ufer, sondern ca. 50 Meter entfernt. Wir haben es aus 3 Gründen ausgewählt, und wären gern noch länger geblieben :
- Modern und zweckmäßig
- Zeitgemäße Smart Home Technik inklusive Wärmepumpe und PV-Anlage (jedoch keine Wallbox)
- Lage am Wasser
- Lage inmitten vieler interessanter und attraktiver Ziele
Donnerstag, 10. Juli 2025
Der echte Radeltag.
Als Ziel war Ketzin an derHavel ausgekuckt. Die Havel wurde auf der Tour 5 mal überquert:
- 1 x per Bahnbrücke bei Werder
- 2 x per Fähre bei Ketzin
- 1 x über die Baumgartenbrücke
- Wo liegt hier der Rechenfehler ?
Später am Tag noch 2 Fährfahrten bei Caputh. Wir kamen durch auige einsame Landschaften, streiften in Nord-Werder die Ketchup-Zentrale von Feinkost Werder, sahen einen kleinen Pferde-Zirkus in Phöben und erfreuten uns an der trotz Dürre-Sommer wasserreichen Havel-Landschaft. In Ketzin entdeckte die eine Hälfte unserer Gruppe ein schönes Uferrestaurant, und die andere Hälfte merkte rein gar nichts, meinte aber, sofort die Höhenmeter überwinden zu müssen auf dem Weg zum vermeintlichen Epizentrum. Das bestand aus einer renovierten Sparkasse, die außen mehr versprach als das Ambiente innen hielt, und direkt daneben einen Imbiss der gehobenen Klasse mit schneller Küche und schönen Außenplätzen. Hier kehrten wir preiswert ein. Als wir genug hatten von der Idylle, brachen wir unweigerlich wieder auf. Nun geriet die besagte Ufergastronomie in den Blick der gesamten Gruppe. Zunächst war nur ein Kaffee geplant, aber die Eiskarte klang sehr verlockend, und die aufgeweckte verkaufstüchtige Bedienung vermochte es locker, uns zu überreden. Das bedeutete gleichzeitig : Als Abendessen maximal ein Salat auf der heimischen Terrasse. Kein Ausgehen zu unseren determinierten Lieblingsrestaurants.
Den Rückweg nahmen wir über Werder. Es war noch früh, allerdings wurde das Wetter ungemütlich. Bei einem langsamen Bummel durch die Gassen der Altstadt auf der Insel träumten wir von „damals“ (2003 und 2017) und stellten Veränderungen fest. Manches gab es noch, manches nicht mehr, wenig neues. Das Restaurant Alte Überfahrt mit schönem Logo war beim Menüpreisen von 140 € + Getränke 75 € angekommen. Zu viert lässt man also 950 € da, allerdings inkl. Trinkgeld. Günstig sind dagegen z.B. 3 Bananen, in jedem Supermarkt für weit unter 1 € erhältlich. Dazu ein Glas Leitungswasser.
Im Schaufenster des Eiscafés Isola Bella waren diverse historische Dekorationen und Gefäße um das Thema Kirschen präsentiert. Formel : Werder = Kirschblütenfest (eigentlich Baumblütenfest) = die geballte Kompetenz und Expertise auf dem Gebiet des Kirsch-Eises, sprich Amarena-Becher. War das wirklich so ? Wir bestellten und warteten eine halbe Stunde. Anderen Gästen ging es genauso. Sie maulten rum oder hauten wieder ab. Wir warteten. Das Kirsch-Eis war kein Amarena und schmeckte leider unterdurchschnittlich. Ein spontan aufgebauter Mythos zerplatzte auf der Stelle, schade. Inzwischen war das Wetter spürbar runtergefahren. Zum Glück saßen wir frierend neben einem gepflegten Trabant 601S unter einem großen Schirm und wurden nicht direkt nass. Wieder kamen wir an den Punkt, dass es reichte. Wir radelten auf direktem Wege heim nach Baumgartenbrück. Der Trabant wurde ja bei VEB Automobilwerk in Zwickau gebaut, genau wie unser VW ID.3. Im Prinzip fahren wir also einen modernisierten Trabi.
Tour nach Ketzin und Werder
Caputh & Einstein
Nach einer Relaxphase oder einem Einkauf bei REWE (das lässt sich nicht mehr rekonstruieren) kam wieder die Sonne raus und uns zog es aufs Rad, nochmal intensiv durch den Uferwald und zur Fähre nach Caputh. Der Bahn-Haltepunkt Geltow/Caputh liegt traumhaft am Templiner See. Der Fährpunkt auf Caputher Seite ist das dezentrale Epizentrum des Ortes, hier konzentriert sich die Gastronomie. Hm, klingt irgendwie widersprüchlich. Essen wollten und durften wir nichts mehr, und so erkundeten wir in Ruhe Caputh, wo wir im November 2007 schon mal im Hotel Kavalierhaus genächtigt hatten, nebst Rehbraten und irgendeiner Sanddorn-Scheusslichkeit als Dessert. Das Kavalierhaus machte heute einen deaktivierten Eindruck.
Die große Zugnummer in Caputh ist allerdings die Tatsache, dass der Physiker Albert Einstein hier in den Jahren 1929 bis 1932 ein Ferienhaus bewohnte, welches als sog. Einstein-Haus heute als Attraktion verkauft wird. 1905 erfand er die berühmte Formel E = mc² (eigentlich ganz einfach), besser bekannt und unverstanden als Relativitätstheorie (die Zukunft ist schneller als die Vergangenheit oder umgekehrt), 1916 publizierte er sie und 1922 bekam er dafür den Nobelpreis umgehängt. Danach hat er nichts Wesentliches mehr zustande gebracht und konnte dafür Caputh umso mehr genießen – nur noch Chillen, Sonnenbrille, Latte macchiato und cool abhängen.
Wir haben in und um Caputh 4 Häuser fotografiert, die als Kandidaten gelten könnten, das Einsteinhaus darzustellen :
Welches ist es ?
Das Einstein-Haus
Freitag, 11. Juli 2025
Die Heimreise war unspektakulär. Zunächst wollten wir, da wir schon mal in der Nähe waren, den Ort Ribbeck im Havelland sehen. Wir kamen sehr früh, Einkehren war nicht möglich, aber auch nicht nötig. Der berühmte Birnbaum war nur eine Kopie einer Replik, denn das Original hatte es angeblich im Sturm 1911 umgehauen, sagte uns ein Oppa auf dem Kirchhof nebenan.
Strom-Laden in Tangermünde, wo wir einen Stop-over einlegten. Tangermünde hat es schwer, wie alle Orte, die nur eine große alte Kirche und viel Fachwerk zu bieten haben. Das wäre nun ein Thema, das hier nicht hingehört, darum lassen wir Tangermünde mal aus.
Bemerkenswert war nur, dass wir bis Wolfsburg auf die Autobahn verzichteten und eher einsame Waldlandschaften durchquerten. Ein sentimentales Wiedersehen mit Wolfsburg, wo wir 2024 das Kunstmuseum besucht und anschließend in gehobener Stimmung eine Pizza gegessen hatten.
Ribbeck im Havelland
Foto Nachweis
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Den Fotos ist unsere Liebe zur Binnen-Maritimik (Wasser, Häfen, Fähren, Schleusen) und zur Bahn (Brücken, Schienen, Infrastruktur) natürlich anzumerken. Unsere Bitte, das großzügig zu entschuldigen.