Sonntag 15. Mai 2022
Auf dem Fahrradtag in Paderborn am 15. Mai kamen wir am Touristikstand „Unterweser“ vorbei und nahmen die Broschüre „Perlen der Unterweser“ mit. Darin fiel uns ein faszinierendes, ja sensationelles Foto mit einer Waterfront Ansicht der Hafenspeicher Brake auf, eigentlich nur sponsornde Werbung für den niedersächsischen Hafen. Sodann gab es eine Unterkunftsliste, in der das „Inselmädchen“ auf Harriersand aufgeführt war. Harriersand ! Das würde unser Sommerurlaub ! Wir riefen dort an, sie hatten nichts mehr frei, wir forschten weiter und das Ergebnis ist bekannt. bzw. wird hier jetzt ausgewalzt:
Sonntag 19. Juni 2022
Alles war erledigt und abgearbeitet und wir konnten um 9.30 Uhr bei angenehmen, halbsonnigen 21° starten. Als auf der A1 sich die Hinweisschilder „Wildeshausen“ häuften, wussten wir, dass wir mal wieder verpennt hatten, am Autobahndreieck Ahlhorner Heide auf die A29 Richtung Oldenburg zu wechseln. Über die A28 und B75 führte uns Google so ziemlich durch die Innenstadt von Bremen. Da die Wohnung offiziell erst 15 Uhr zugänglich sein sollte, hielten wir noch in Vegesack in der Altstadt an. Es war regnerisch und nix los. Auf Essengehen waren wir nicht eingestellt, obwohl Gelegenheit bestand. Von magischer Hand geführt, fanden wir den Weg zum teilweise pisseckigen Vegesacker Bahnhof, wo wir einen üblen Coffee-to-go. Von dem ranzigen Apfelberliner ganz zu schweigen. Nächster Stopp: Fährpunkt Blumenthal. Auch dort alles trist und trübe, aber nicht unvielversprechend. Auch Bremen-Farge hatte noch eine Fähre (wie Name schon andeutet) zu bieten, die wir als Point of Interest mitnahmen.
Endlich um 14.20 Uhr empfing uns bei auf lausige 14° heruntergekühlter wolkiger Witterung der Herbergsvater, zugleich Bauer eines stattlichen Hofes, welcher keinen ärmlichen Eindruck machte. Nach kurzem Smalltalk überreichten wir drei Flaschen 0,3l Paderborner Gold Pilsener nebst Paderborn-Prospekt als Gastgeschenk und schleppten unsere Klamotten rein. An der Wohnung gibt es fast nichts zu meckern. Der angepriesene phänomenale Weserblick findet allerdings kaum statt, weil das Haus etwa 120 m vom Ufer entfernt liegt und ein Streifen mit Bäumen, Büschen und Gehölz vor dem Ufer nur eine schmale Lücke aufweist. Wenn man ein Schiff auf dem Weg von oder nach Bremen spürt oder hört, ist es für dessen Anblick schon zu spät. Zur anderen Seite, nach Osten, strahlt die flache, grüne und beweidete Insellandschaft Ruhe und Kraft aus. In der Ruhe liegt die Kraft. Woher stammt dieses Zitat ? Im nördlichen Drittel von Harriersand, 2 km von uns entfernt, liegt eine versteckte, nicht mehr ganz neue Siedlung mit Holzhäusern, die größer sind als Schrebergartenhäuser und kleiner als Ferienhäuser. Mitten drin das allgemein schlecht bewertete Restaurant Strandhalle (Typ Imbiss mit Sitzgelegenheit). Wir kauften dort ein Eis am Stil (Schöller Nuii Mexican Pecan) und verschafften uns einen Eindruck von der am westlichen Ufer liegenden Waterfront des niedersächsischen Seehafens Brake (einer von 9) mit den 90m hohen Speichern und 8 Seeschiff-Liegeplätzen. Nach 21.30 Uhr gab es noch einen regulären Sonnenuntergang mit Lichterscheinungen von Blau, Orange und Rot, der fotografiert werden wollte. Ein Schiff der 150-Meter-Klasse fuhr Richtung Nordsee.
Montag 20. Juni 2022
Wetter gemischt, Schulnote 3. Wir wollten beim Edeka-Surrogat „NP“ in Neuenkirchen einkaufen und von dort mit den Fahrrädern etwas radeln. Daraus wurde eine Radtour über Farge und Blumenthal nach Vegesack mit dem Ergebnis, dass wir mit Vegesack und der ganzen Gegend Richtung Bremen nun schon endgültig durch sind. Eine abwechslungsreiche und interessante Strecke, aber überwiegend doof. Holperige, zum Radweg umfunktionierte Bürgersteige, keine schöne Bebauung, und je mehr man sich Bremen nähert, desto runtergekommener und ärmlicher. Anscheinend hat man hier die Pleite und Stilllegung der großen Bremer Vulkan Werft immer noch nicht überwunden. Auf der Lürssen-Werft gegenüber sahen wir das unheimliche Wrack einer Luxusyacht. Nun ja, warum nicht. In Vegesack sind Bemühungen zu erkennen, eine attraktive „Maritime Meile“ zu schaffen. Ebenso sieht man große Planungsschilder für eine pittoreske Altstadt, deren Bau aber wohl noch nicht begonnen hat (kennt man aus Duisburg, wo gleich mehrere pittoreske Altstädte auf Eis liegen). Es gibt ein paar Restaurants, die versuchen, der Kundschaft Mittag- und Abendessen zu verkaufen, sämtliche montags natürlich ruhend, aber was völlig fehlt, ist eine Straßencafé-Szene. Wenig Publikum, dafür trifft man vermehrt Bettler, Prekäre und soziale Randlagen. Sollte es eigentlich nicht geben. Die Einkehrmöglichkeiten in der Fußgängerzone waren auch nicht für uns gemacht. In einer großen gläsernen Halle mit auffallend moderner Architektur befindet sich – wahrscheinlich in Zweitnutzung – ein gigantischer TEDi – auch der leer. Der Branchen-Mix bietet Dönerbuden, Bräunungs- Fitness- und Nagelstudios, Friseure, Brautmoden und Apotheken. Eine erfreulich ansprechend modern gestaltete Leffers-Filiale kämpft gegen den Niedergang. Den Rückweg nach Neuenkirchen nahmen wir direkt – ohne die Deichroute, vorbei am „Denkort Bunker Valentin“ (ehem. U-Boot-Werft, schaurig !) zu fahren. Gegen 18.30 gab es eine improvisierte Geburtstagsparty am „Strand“ mit einer 0,3 Flasche Bier, ein paar Käsestückchen und Erdnüssen. Es war grade Flut. Dazu sang Howard Carpendale: Deine Spuren im Sand die ich gestern noch fand hat die Flut mitgenommen deine Spuren im Sand.
Update TeDi-Halle: Der Weserkurier berichtete 2018, dass die lokale Politik den TEDi-Einzug in die „Markthalle“ bekämpft hatte, weil solcher den Niedergang des Ortteils beschleunigen hilft. Hat aber nichts genützt. Nun, 2022 soll ein Ideen-Wettbewerb Lösungen für eine Nachnutzung oder Nach-Bebauung liefern. Das vierte der noch nicht realisierten Groß-Bauvorhaben in Vegesack.
Am Abend gönnten wir uns noch ein kleines, kalkuliertes Abenteuer. Es galt, das faszinierende Foto aus der Unterweser-Broschüre mit eigenen Mitteln nachzufotografieren. Die Stelle, ein Anlegesteg in der Weser, schien unerreichbar. Wir fragten einen einsam auf der Inselstraße daher-radelnden, sich im Laufe des Gesprächs als Kapitän der„Guntsiet“ herausstellenden Einheimischen, und der lud uns spontan ein, ihm zu folgen. Es dunkelte schon. Eigentlich dunkelte es doch noch nicht, aber das hört sich dramatischer an. Er stoppte an seinem Haus. Dann sollten wir den Pfad weitergehen und zwei geschlossene Tore überwinden. Nach dem zweiten Tor kamen noch zwei Elektrozäune, unter denen wir durchkriechen mussten. Der im Schilf versteckt liegende Steg führte weit in den Fluss mit stark ablaufender Strömung hinaus und hatte nur ein sparsames Geländer sowie grobmaschige Bodenroste. Das aufgenommene Foto ist dem Vorbild nicht besonders ähnlich, wie auch, denn das Original war am sehr frühen Morgen mit viel Dunst fotografiert, während wir „nur“ einen klaren Abendhimmel vorfanden. Kurz meinten wir, das ganze in den frühen Morgenstunden, also um ca. 4.15 Uhr nochmal wiederholen zu können. Aber im Dunkeln zwischen Kuhscheiße und Elektrozäunen rumzuklettern, eventuell Wachhunde und schlaflose Rentner auf den Plan zu rufen, schreckte uns davon ab. Außerdem sagte unser Bauer, hier seien Wölfe unterwegs.


Dienstag 21. Juni 2022, längster Tag des Jahres
Am Vormittag setzten wir für einen Haufen Geld mit der Fähre von Sandstedt zum linken Weserufer rüber. Wir hätten auch den kostenlosen Tunnel nehmen können. Was uns lockte, war, wie wir von früheren Passagen wussten (1982, 2003, 2015), die Bockwurst mit Brot (für mit Kartoffelsalat wäre die Zeit zu knapp). Auch im November 2021 war diese Fährfahrt geplant, vor allem um ein Video-Selfie von eben diesem kultisch-rituellen Bockwurstverzehr zu drehen. Da wir aber am Autobahnkreuz Oldenburg-Süd in einen 2-stündigen Auffahrunfall verwickelt waren, kam damals letztendlich nur noch der Tunnel in Betracht. Soweit die Vorgeschichte. Nun waren wir an Bord und fragten erwartungsvoll den Skipper „ist das Restaurant geöffnet ?“ (Schmeichelhaft wird hier ein Verschlag mit Klappe zum Durchreichen der Ware „Restaurant“ genannt.) Er antwortete „das ist seit 2 Jahren schon geschlossen. Wir suchen händeringend Leute, die es übernehmen möchten. Bei vielen Stammkunden war der Tunnel verpönt, weil sie auf der Fähre ein Würstchen, eine Flasche Bier oder einen Kaffee kaufen konnten.“ Wir können diese Leute gut verstehen. Seit Corona machen viele Passagiere Home Office, fahren nur noch einen Tag pro Woche ins Büro, und das sind 4 Kaffee weniger, die der Skipper verkauft. Eine tragische Situation in der Vorstellung eines Bockwurst-Evangelisten wie Kalle. Mit gedämpfter Stimmung fuhren wir schweigend von Bord und parkten am Bahn-Haltepunkt Kleinensiel der bedeutenden Magistrale Hude-Nordenham. Das Gleis ging früher sogar mal bis Blexen weiter, wurde aber irrsinnigerweise stillgelegt. Das ist die 3. Streckenstillegung kurz vor der Küste, die wir eigenhändig gesehen haben: Bart – Darß, Esens – Neuharlingersiel, und jetzt Nordenham – Blexen. Zum Heulen. Da wundert einen, dass nicht die Strecke Norden – Nordenham eingestellt wurde.
Der Bahnübergang Kleinensiel war so schön, dass wir ebenso hier hätten bleiben können. Uns zog es mit dem Fahrrad nach Norden, korrekt: Nordenham. Zwar hatten wir uns 2018 geschworen Nie wieder Radtour am Deich entlang, aber manchmal lässt sich das nicht vermeiden. Entschädigt wurden wir durch den traumhaften Bahnübergang Großensiel, denn der lag direkt an dem namensgebenden Sieltor. Wir machten etliche Fotos. An einem Ufer-Übergang stand eine Bronze-Plastik mit Erklär-Inschrift. Dargestellt ist eine Malocher-Figur mit Mütze und Schüppe. Stilistisch eine Mischung aus Bert Gerresheim und Ernst Barlach. Leider haben wir dreierlei nicht getan: Foto geschossen, Text aufmerksam gelesen, Name der Künstlerin gemerkt. Eine schnelle Recherche ergab: inspiriert durch die Aussage von Helmut Werner, „Nordenham ist auf dem Rücken der Hafenarbeiter erbaut worden“, schuf die Bildhauerin Anne Wagenfeld (Butjadingen *5.3.48 †24.4.2016) eine Skulptur, die den konkreten Hafenarbeiter in den Kontext von Raum und Zeit stellt […]. Nordenham zog sich endlos hin. Erst ein kilometerlanges Bahngelände mit abgestellen Kohle-Waggons, dann eine leblos-runtergekommene Innenstadt, schäbiger als Bremen Vegesack. Weiterfahrt durch einen Verhau von Gewerbegebieten, in denen eine Filiale von Airbus noch das Seriöseste war. Irgendwann kamen wir in Blexen an und mussten nicht lange auf die Weser-Fähre nach Bremerhaven warten. Die Belastung ging, die Entspannung kam. Nach Ankunft an der Geeste-Mündung radelten wir ein paar Meter weiter und kehrten spontan ein bei „Villa Seedeck“, die auch so aussah, und wo wir bereits 20212 gerne eingekehrt wären. Nun endlich. Draußen mit Blick auf die Geeste-Brücke. Die Tischnachbarn nach Süden waren 2 Frauen, die alle Zeit der Welt hatten, und nach Nordwesten saß, von hier aus gesehen, ein Paar, die aber wohl nichts miteinander hatten. Die Frau hatte goldene Haare, welche oben aus dem Kopp silbern nachwuchsen. Der Kerl machte den super-lässigen mit gepflegter Struppi-Frisur (siehe Boris Johnson, aber in grau statt blond) und rauchte während des Aufenthalts zwei Zigarillos. Kalle hielt ihn für einen Künstler oder Regisseur oder Professor von der benachbarten Hochschule, alle drei Möglichkeiten mit dem vorangestellten Attribut „Möchtegern-“, jedenfalls nicht für einen Business-Kasper oder Sparkassen-Fuzzi. Top-Ziel war das Kunstmuseum Bremerhaven, an das bzw. dessen 2015 gezeigte Ausstellung wir gute Erinnerungen hatten, die sich nun nicht mehr bestätigten. Der diensthabende Ticket-Abknipser und Aufpasser Typ Männlein brachte sich – jetzt ohne Ironie – vor Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft fast um. Wir wechselten zum gegenüberliegenden Kunstverein in einem 2-Räume-Monolith mit unverfälschter 1960er-Jahre-Optik, und auch dort saß er an der Kasse und bot uns alle möglichen Services an. Schon reichlich ermattet, wollten wir in der gigantischen Shopping Mall „Columbus Center“, genauer gesagt in deren Erweiterungsbau im Fake-Stil „italienische Plaza“ neben dem Museum Klimahaus tatsächlich eine Perlenkette kaufen, weil wir so eine dort 2015 gefunden hatten. Das Geschäft gab es natürlich nicht mehr und wir hatten genug von öden Shopping Malls. Beim „Übersee“ im Boarding Haus von „Im Jaich“, wo wir 2008 übernachtet hatten, machten wir eine längere Pause bei Kaffee und Kuchen. Käsekuchen. Auf dem gleichen Weg ging es zurück nach Kleinensiel, nur viel schneller, weil alle Fotos schon gemacht waren. Gerne wären wir noch in der kürzlich renovierten Kneipe am Blexener Fähranleger eingekehrt, die, wie wäre es anders zu erwarten, natürlich „Weserschlösschen“ heißt, aber wir waren vollgefressen bzw. pappensatt vom Mittagessen plus Kuchen. Mehr ging nicht.
Mittwoch, 22. Juni 2022
Der Brake-Tag. Wir investierten 20 Euro in die Fähre Guntsiet ab Harriersand Strandhalle. Zunächst radelten wir weseraufwärts bis Hammelwarden, um dort die Kirche zu besichtigen. Bei der Gelegenheit suchten und fanden wir auf dem zur Kirche gehörenden alten Friedhof das Grab von Admiral Brommy, auf welches schon am Straßenrand hingewiesen wurde. Wikipedia sagt: Karl Rudolf Brommy, (1804–1860) war ein Marineoffizier und deutscher Konteradmiral. Er war ab 1849 Befehlshaber der Reichsflotte, der ersten gesamtdeutschen Marine. Wow, der große Sohn der Stadt mit einem wirklich coolen Namen. Ich würde auch gerne Brommy heißen. Die sogenannte „Friedenskirche“ (nach irgendeinem Friedrich) ist ein Musterbeispiel eines barocken evangelischen Kirchenbaus, mit marmorierter Bemalung, geschwungenen Fenstersprossen, beheiztem VIP-Bereich für die reichen Bauern, zentraler Kanzel und Orgel von 1766. Auf dem wiesenartigen Friedhof ohne Wegführung mit altem Baumbestand stehen mausoleumsgroße Grabanlagen und gut erhaltene bzw. restaurierte Grabsteine mit integriertem Storytelling. Wir staunten und fuhren weiter zur ev. Stadtkirche (die kürzlich wegen Einsturzgefahr geschlossen war) und heute tatsächlich ebenfalls geschlossen war. Nach einer Runde am Hafen entlang ging es zur dritten Kirche in Brake, diesmal einem katholischen Modell von 1964. Schon von weitem sieht man den 42 Meter hohen Turm, der einen an den Turm von St. Laurentius in Paderborn erinnert. Aber: In Brake ist oben einen 7 Meter hoher und 15 Tonnen schwerer, dazu im Stil der 1960er Jahre designter Anker draufgestellt. Lt. Infotafel wurde hier 1964 die erste katholische Messe seit der Reformation gefeiert. Allerdings hat sich, wie wir meinen, der Architekt zu sehr an der reinen Idee des Kirchenschiffes festgebissen, sodass ein hoher, schmaler, dunkler und irgendwie ungemütlicher Raum entstanden ist ohne Erkundungs- und Ausweichmöglichkeiten in Nebenbereiche.
Nun war es Zeit, einzukehren. Eiscafés und Bäckereien mit Sitzgelegenheit ließen wir links liegen. Wir fanden zufällig das Restaurant Weserlust mit Garten zum Ufer und wurden nicht enttäuscht. Leichte Küche zum Mittag. Die beiden Typen, die das betrieben, kamen uns aus Paderborn her irgendwie bekannt vor. Wir fragten nach und tatsächlich: Pohl und Roglitzki !
Abends kurzer Aufenthalt am einsamen Strand.
Donnerstag, 23. Juni 2022
Eigentlich der letzte volle Tag hier. Hotels für eine Verlängerung um 2 Tage: Ausgebucht oder Wahnsinnspreise oder Geisterbahnen. Wir entschl0ssen uns zu einer Radtour ab Berne nach Oldenburg. Die Brücke über die Hunte, wie wir sie noch von 2013 kannten, hatte man durch eine schicke nagelneue bewirtschaftete Klappbrücke ersetzt. Von hier aus ging es mit Rad weiter: Erst schattig durch das idylische Dörfschen Huntebrück, und dann über holperige und baumlose Betonpisten unterhalb von Deichen am Hunte-Südufer. In der sengenden Hitze half der Fahrtwind nur wenig. Man sah nur Schafe, Einsamkeit, weite Flächen bis zum Horizont und irgendwann die Hunte-Brücke der A29, die uns zeigte, dass Oldenburg nun nicht mehr unerreichbar war. Wir erreichten die Stadt an der kuriosen Bahn-Klappbrücke über die Hunte. Schon lag linkerhand die Kneipe Heini am Stau. 2013 entdeckten wir sie zu spät, nachdem wir schon unterdurchschnittlich zufrieden woanders eingekehrt waren. Heute gab es kein Zögern. Ein moderner Bau mit stimmigem Umfeld: Industriehafen-Flair, Garten mit alten Bäumen, gutes Angebot, freundliches Personal. Wie gestern: leichte Küche. Was wir nicht wussten – das war schon der Höhepunkt des Tages. Denn der seit langem gewünschte Besuch des Landesmuseums Oldenburg erwies sich als übler Reinfall. Mal wieder sind wir auf cool designte Werbung reingefallen, die nicht hielt, was sie versprach. Für 9 Euro hatten wir Zutritt zu drei Häusern: Schloss, Augusteum und Prinzenpalais. Wir fingen mit dem Schloss an. Wie Museen in Schlössern so sind: eine pompöse Eingangshalle mit Treppenhaus, Räume, die aus Denkmalschutzgründen oder Geldmangel nicht verändert werden dürfen und veraltet und unattraktiv gestaltete Inhalte. Geschichts-orientierte Daueraussstellungen werden wir ab jetzt nicht mehr besuchen. Auf 3 Etagen war kein System und keine Ordnung in der landeskundlichen Geschichte zu erkennen. Immer wieder fingen die Themen von neuem an, unterbrochen durch thematische Spezialsammlungen. Was hat dort z.B. Konsumgüterdesign der 1950er bis -70er Jahre zu suchen ? Was ein spätrömisches Mosaik, außer dass das von irgendeinem feudalen Landesherrn mal beschafft wurde ? Da wir für drei Häuser bezahlt hatten, ging es weiter zum Augusteum. Unten Malerei des 17. bis 19. Jahrhunderts, oben eine Sonderausstellung. Wir waren total fertig und hätten jetzt 2 Stunden Mittagsschlaf vertragen. Das dritte Museum Prinzenpalais mit klassischer Moderne des späten 19. bis mittleren 20. Jahrhunderts ersparten wir uns. Für einen ausgedehnten Aufenthalt in der ansonsten wunderschönen und wirklich empfehlenswerten Stadt Oldenburg mit ausgedehnter kleinteiliger Geschäftswelt, Straßencafés, gepflegtem jungen Publikum und viel Flair war nun leider keine Zeit mehr. Es blieb bei einem schnellen „Frieseneis“ in einem Konzeptladen: Konzept: Modulartige Auswahl von : 1 Kugel Eis, 1 Soße, 1 Topping = 3,50 €
Der Rückweg war noch unerträglicher: Jetzt mit Gegenwind, und nördliche Streckenführung linkshuntig. Wir brauchten doppelt so lange, durchquerten das Naturschutzgebiet Bornhorster Huntewiesen/Moorhauser Polder (auf dem Hinweg als reines Nichts wahrgenommen), hielten unterwegs 3 mal zum Wasser-Trinken an, kamen dann endlich zu einer Zeit in Berne an, als EDEKA Wigger schon zu hatte. Etwas zu essen gab noch bei ND in Neuenkirchen, die bis 21 Uhr auf hatten.
Freitag, 24. Juni 2022
Spontan hatten wir gestern mit den Vermietern vereinbart, 2 Tage zu verlängern. Allerdings mussten wir dazu aus der schönen Wohnung raus und in eine viel kleinere im Erdgeschoss einziehen. Bis 10 Uhr waren wir mit dem Umzug beschäftigt. Dann führte uns Bauer Stührenberg, der Eigentümer, auf dem nebenan gelegenen Hof seinen Stall, seine Kühe und seine Melkroboter-Anlage vor. Dabei kamen wir ins Gespräch über landwirtschaftliche Rahmenbedingungen und Problematiken der Landwirtschaft, insbesondere der Milch-Erzeugung. Wir erfuhren einiges darüber, wie Kühe ticken.
Am Nachmittag gönnten wir uns eine sehr entspannte und entschleunigte Pause am Strand mit Lesen, kleinem Imbiss und Sundowner. Nach 20 Uhr kurzer Spaziergang zum Südstrand. Nachdem wir von Sonntag bis Donnerstag das ganze Haus alleine bewohnten, sind nun alle 6 Wohnungen belegt. Das fühlt sich ganz anders an.
Samstag, 25. Juni 2022
Landausflug in das Gebiet zwischen Hamme und Wümme, nordwestlich von Bremen. Zunächst Anreise bis Worpswede, wo wir um die Ecke von der Jugendherberge parkten. Zuletzte hatten wir hier 2008. Es war fast unverändert, nur die Jugend war nicht zu sehen. Mit dem Rad ging es hinaus nach Neu-Helgoland, damals ein neblig-trüber und verwunschener Un-Ort, der seinerzeit unser Interesse weckte, weil die Hamme-Ufer mit Spundwänden verkleidet waren. Das deutete auf einen bescheidenen Schiffsverkehr hin – gleichzusetzen mit Binnen-Maritimik. Damals wussten wir nicht, dass der maritime Zusammenhang der Hamme über Lesum und Weser besteht, nicht etwa über einen Direkt-Zufluss zur Nordsee. Es war ziemlich warm und sonnig. Das Moor hatte sich zurückgezogen und trat nicht in Erscheinung. An Osterholz und Ritterhude radelten wir nur entfernt vorbei. Bei der überlaufenen Ausflugskneipe „Zur Nordseite“ stießen wir auf die mäandernde Wümme, die aber weitgehend hinter Deichen verborgen blieb. Beim „Gasthaus Wümmeblick“ mit Außenterrasse kehrten wir ein. Es ging sehr geschäftsmäßig im Stil der Massenabfertigung zu. Anschließend durchquerten wir ein zur Moor-Entwässerung Gräben-reiches Gebiet Richtung Hamme. Nach Moor aber sah wiederum gar nichts aus. Die Strecke zurück nach Worpswede zog sich, und als wir da waren, galt es eine Einkehr zu organisieren. Sowohl Neu-Helgoland als auch der Moor-Bahnhof hatten geschlossene Gesellschaften. Wir fanden mit achundkrach eine unauffälliges, nicht weiter erwähnenswertes Café. Worpswede war total öde.