Um was geht es ? Ein weiterer einwöchiger Urlaub in diesem Jahr, 3. bis 11. Dezember 2022.
Unsere Mission : Wir helfen beim Tunnelbau. Nicht mit der Schüppe, aber argumentativ, als Tunnel-Evangelisten.
Daher zum vierten mal dieses Jahr in den Norden (die 3-tägige Hamburg-Reise im September nicht mitgerechnet). Selten haben wir so eine störungsfreie Anreise erlebt. Wir sind trotz freiwilligem Schleichtempo schnell und glatt durchgekommen und waren bereits um 13.15 Uhr hier. Eine Ferienwohnung in äußerst ruhiger Umgebung am Fehmarn-Sund, 200 Meter von der Brücke entfernt. Der Name der Wohnung „Brückenblick“ trifft, wie zu erwarten, natürlich nicht zu. Jetzt im Winter, wo die Bäume kein Laub tragen, kann man durch das Seitenfenster bei genauem Hinschauen die Brücke irgendwie erkennen. Wenn man mehr davon sehen will, muss man durch die Dünen an den Strand gehen. Der Foto-Spot ist aber nicht weit weg. Was machen wir hier ? Aus dem Fenster schauen, Arbeiten (heute mein Arbeitsplatz), Wandern, Maritimik und Ufer erkunden, städtisches Flair in Burg erleben. Bei unseren Urlauben in Travemünde und Föhr haben wir das Auto nicht bewegt – hier täglich. Bei Temperaturen um 0° und Entfernungen von 6 bis 8 Kilometern und nicht verfügbarem Fahrrad ist das wohl so. Auf dem Weg nach Landkirchen zum Bäcker kamen wir immer an einer Schule vorbei, die die beiden einsehbaren Klassenzimmer mit adventlichen Lichterketten für den Frontalunterricht geschmückt hatten. Das sah von draußen ziemlich hygge aus. Im Haus funktioniert die Heizung nur im Schlafzimmer. Das Wohnzimmer mit Panoramablick ist dank moderner Bauweise gut isoliert, aber nicht so gut, dass man ohne eine gewisse Frische zu verspüren, auf den Holzofen verzichten möchte. Holz ist für uns gratis. Im Garten steht eine Sauna im „Tiny House“ Look. Die Sauna kann man nur von außen verriegeln, klassisch wie im einschlägigen Sauna-Mord-Krimi. Der Fernseher hat ein gutes Bild. Das heißt natürlich, dass der Ton ungut ist. Trotz Laut-Drehen auf das Level einer PA beim Rockfestival versteht man nichts.
Gleich am Montag fand vor unserem Fenster auf dem Deich und im schmalen Dünengürtel eine Treibjagd statt. 10 Jäger mit orangenen Warnwesten und 5 ebenso gekleidete Hunde hatten es auf niedliche Kaninchen abgesehen, die hier eifrig Löcher in die Dünen buddeln. Am Dienstag war kein Kaninchen mehr zu sehen. Nun, drei Tage später, haben sie ihre Population wieder auf die alte gewohnte Stückzahl gebracht, was als ihre Spezialität gilt.
Die Entdeckung ist Burgstaaken mit seinem Fischereihafen, echter Maritimik und Resten von aktiver und stillgelegter Speicher- und Silo-Architektur. Hier gibt es sogar Restaurants, Läden und ein am Wochenende geöffnetes Café. Die Lady im Baltic Marine Shop erklärte uns, dass das Café von der Frau vom Chef betrieben wird. Dort wollen wir Samstag Nachmittag für ein gemütliches Adventsstündchen hin.
In Puttgarden bekamen wir 30 Minuten Parkzeit für 4 Euro vor dem schwimmenden Scandlines Bordershop. Schweden und Dänen zahlen nichts. Sie kommen per Fähre, laden Kombis und Anhänger palettenweise mit Alkohol voll und fahren danach sofort wieder nach Hause. (Manche suchen auch Fleggaard in Burg auf, wo wir vergeblich versuchten, dänischen Käse der Marke Riberhus© aufzutreiben. So weit das Auge reichte – mehrere Hektar – sahen wir jedoch nur Alkohol.) Unser Ziel war der internationale Fährbahnhof Puttgarden, inzwischen ein echter sogenannter Lost Place, der wunderbar verfällt und von Unkraut überwuchert wird.
Über Marienleuchte, wo ein alter Leuchtturm im Bauernhofstil zu finden ist, versuchten wir, so nahe wie möglich an die Tunnelbaustelle heranzukommen. Tatsächlich hat man mit dem Bau 2021 begonnen, was wir nicht mehr für möglich gehalten hatten. Bewohner der angrenzenden 1960er-Jahre Siedlung im pseudo-skandinavischen Bungalow-Stil kennzeichnen ihre ablehnende Haltung zum Tunnelprojekt durch blaue (Andreas-) Kreuze am Gartenzaun oder hinter der Gardine und kommen sich toll vor. Vom eigentlichen Bau waren nur riesige aufgehäufte Schlammberge (Meerboden-Aushub), Bagger im Wasser und die entstehende tiefergelegte Tunnel-Einfahrt-Trasse zu sehen, immerhin. Man baut 7 Tage die Woche. Vom Ufer aus sahen wir die Tunnelfabrik auf der dänischen Seite des Belts.
Die Sundbrücke von 1963 wird gerade saniert. Sie wird nicht abgerissen, sondern bleibt für den langsamen Verkehr erhalten. Die Brücke kann architektonisch immer noch als zeitlos und gelungen betrachtet werden. Man sieht sie aus allen Richtungen und Entfernungen bis 20 Kilometer. Aus unserer privilegierten Lage haben wir ihr uns natürlich auch fotografisch genähert. Zum Neubauprojekt „Sundquerung“ haben wir folgenden Video entdeckt :
de.ramboll.com/projects/germany/fehmarnsundquerung
Im Femern-Sund-Bælt-Infobüro in Burg trafen wir auf den Baustellen-Kommunikationsmanager. Für uns ein Höhepunkt dieses Urlaubs. Sehr freundlich, gesprächsbereit und zuversichtlich. Wir gaben uns als Tunnel-Botschafter zu erkennen. Er sagte, es wäre ihm gelungen, schon viele Gegner umzudrehen.
Am Wochenende kamen hochgerüstete Angulatoren und bauten ihre Angulative am Strand auf. Dick eingemummelt lagen sie regungslos bei 0° auf Liegepritschen und warteten darauf, dass Fische anbissen, während die Kaninchem um sie herum hoppelten.