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Auf der Bahn

Nach Hamburg gelangten wir am Mittwoch, dem 15. Mai 2024 mit der Bahn, dank 49 € Deutschland-Ticket speziell mit dem Regionalverkehr : S5 bis Hannover, dann links rum per RE nach Bremerhaven bis Verden an der Aller, RE bis Rotenburg an der Wümme, RE über Buchholz in der Nordheide und Harburg bis Hamburg Hauptbahnhof. Der Zug ab Rotenburg war ein alter Schluffen, der keinen Spaß beriet. Von den genannten Orten hatten wir uns mehr versprochen. Man sah aus dem Zugfenster jedoch nur Bahnbrachen, langweilige Gewerbegebiete und vertrocknetes Gestrüpp. Dabei hätte uns gerade Buchholz in der Nordheide interessiert, wähnen wir hier doch einen Ort von gesteigerter, und daher unbedingt sehenswerter Ödnis.

Zu Fuß wanderten wir über die Lange Reihe durch St. Georg bis zum SMARTMENT in HH-Hohenfeld, nicht unweit vom Stadtteil Uhlenhorst. Die Lady am Check-In schätze uns altersmäßig so ein, dass wir statt des Zahlencode-Zugangs lieber einen echten Schlüssel zum Reinstecken verwenden würden, aber wir lehnten indigniert ab. Am Nachmittag ließen wir es bei schönstem Sonnenschein ruhig angehen. An der Außenalster feierten wir den bisherigen Reiseverlauf bei Kaffee und Kuchen. Kaffee bestellten wir mehrfach nach. Am Abend fand ohne unangenehme Zwischenfälle der seit 2017 ersehnte Besuch im großen Saal der Elbphilharmonie statt.

Elbphilharmonie

Wir näherten uns in Schritten. Zunächst fragten wir im hauseigenen Shop am Kaiserkai nach dem Elbphilharmonie-Magazin. Dann rauf auf die Plaza, wo wir aus Verlegenheit ein paar Runden drehten, denn für den Besuch der Kneipe Störtebeker war langes Schlangestehen erkennbar. Schließlich gab es im Foyer noch ein Glas Wein (0,15 L zum Preis X*) eine Flasche 0,3 L Veltins sowie eine Brezel (Preis : Y*), bevor wir 10 Minuten vor Konzertbeginn endlich unsere Plätze einnehmen konnten. Block D Reihe 2 Platz 7 und 8. Bitte selbst nachschauen, wo das ungefähr ist. *Wir versuchten, nicht so verstört zu kucken.
Das NDR-Konzert Joachim Kühn zum 80., mit Michael Wollny als kongenialem Klavierpartner (der Altmeister war besser) sowie im 2. Set durch Bassist und Drummer ergänzt, bestand aus über 2 Stunden High-Speed Jazz. 2 Stück Steinway Model D ohne Deckel standen auf der Bühne, Monitor-Boxen für die Pianisten und Line Arrays verstärkten den Sound. Kühn hatten wir jahrzehntelang gar nicht auf dem Schirm, aber was er ablieferte, war erstklassig. Für danach war als Abendessen ein Fischbrötchen an den St-Pauli-Landungsbrücken vorgesehen. Die hatten um 22.45 natürlich schon zu. Zum Glück gab es im SMARTMENT noch ein sättigendes halbes Rossmann-Bio-Plätzchen.

Blankenese allgemein

Donnerstag, 15. Mai. Mit der S1 fuhren wir bis Blankenese und kamen an der schön gelegenen ev. luth. Marktkirche vorbei. Zu Fuß war das sogenannte Treppenviertel schnell erreicht. Bei schönstem Sonnensommerwetter präsentierten sich die angeblichen Kapitänshäuser, die wir 2017 nur von weitem gesehen hatten.

Anne Jakobsen

Am Wegesrand dieses putzigen Hamburger Stadtteils fiel unter den lokalen Kreativen positiv das Atelier Anne Jakobs auf. Als wir fast im Begriff waren, durchs Fenster das sehenswerte Atelier-Flair zu fotografieren, entdeckten wir grade noch rechtzeitig die Künstlerin herself und schreckten von unserem Vorhaben zurück. Was ausgestellt war, traf genau unseren Geschmack. Die Bilder erinnerten an die Werke von Lars Möller, die wir in Eutin und im Jenischhaus gesehen hatten. Auf ihrer Homepage schreibt sie:  „… Her artistic work includes photography, drawing, painting and film. Since studying art, she has been particularly interested in water. Her paintings primarily feature beach motifs, harbour motifs, seascapes and rain-soaked streets. In addition to her interest in water, her passion also belongs to architecture. The artist learned the techniques of animation at VIA University College in Denmark. Painting has remained a great passion alongside film and illustration.“ Seascapes – Danke ! Dieser Begriff wandert nun in unseren persönlichen Sprachgebrauch, wie Waterfront imaging. www.annejak.com

Römischer Garten

Unten am Elbstrand war es sehr hell und sehr warm. Wir fanden eine Sitzbank und warteten ein paar Schiffe ab, bevor es weiterging zum Römischen Garten Hamburg – ein literarisch beschriebenes Gartenrelikt, das ursprünglich nach 1900 von der Banker-Familie Warburg angelegt wurde und in reduziertem Umfang noch besichtigt werden kann. Am Eingang stellte eine Omma ihr Fahrrad ab und erzählte, dass sie oft hierher käme und sich im Garten aufhielte. Man könne nur von unten rein. Wir sagten, dass der in einer starken Hanglage ausgerichtete Garten auch oben verlassen werden könnte, wenn man die knapp 100 Höhenmeter nicht scheut, um oben am Falkensteinweg rauszukommen, von wo ein Bus in die Stadt fährt. Das war ihr neu.

Pause in der City

In Blankenese verwirklichten wir nach der Garten-/Elbufer-/Millionärsvillen-mit-Rhododendronbüschen-Tour unseren Beschluss, kein Eis zum Mitnehmen im Hörnchen mehr zu essen. Nie mehr. Die meisten Eise sind quietschsüß, und den Rest gibt einem dieses unerträgliche Hörnchen, dessen Süßegrad einen auf der Stelle zum Diabetiker macht. Früher gab es Hörnchen, die schmeckten neutral wie die heilige Hostie (für Christen) bzw. das Matzen (für Semiten). Infrage kommen daher nur noch alt-eingesessene original-italienische Eiscafés mit stilreinem 1950er/1960er-Jahre Ambiente, in denen das Eis möglichst in flachen echten Silberschalen serviert wird, z.B. Mosena Höxter, Fontanella Frankfurt, Casa Nostra Düsseldorf, etc. Etwas Vergleichbares fanden wir an der Blankeneser Bahnhofstraße : Eiscafé La Casa del Gelato (leider keine Silberschalen).

Probleme

Am Nebentisch saßen zwei Damen, als echte Blankeneserinnen unschwer als Millionärinnen zu erkennen. Es heißt übrigens, ein normales, renovierungsbedürftiges Kapitänshaus am Elbhang geht durchschnittlich für 7 bis 10 Millionen über den Tisch des Maklers. Gesprächsthema der beiden war das angespannte, wenn nicht sogar zerrüttete Verhältnis der aufgedonnerteren der beiden Frauen zu deren Tochter. „Meine Tochter betritt unser Grundstück nicht mehr. Wenn sie die Kleine zur Kita bringt, geht sie ganz hinten rum. Ich meine, sie telefoniert täglich mit dieser Frau. Da stimmt doch was nicht, da ist doch was oberfaul.“ Leider fuhren zu viele laute Busse vorbei und die Schulklasse, die sich vollzählig mit Eis eindeckte, war auch nicht die leiseste, sodass wir leider viel zu wenig mitbekamen. Zwar hätten wir gerne mitdiskutiert und uns auch den Satz zurecht gelegt „Sie müssen reinen Tisch machen.“ Aber irgendwie traut „man“ sich in seiner Feigheit leider doch nicht, ungefragt mit guten Tipps zu intervenieren. (Update 20.5.: Brigitte sagt, es wäre gar nicht um die Tochter der einen gegangen, sondern um die einer dritten Dame, die die Gesprächsrunde zuvor verlassen hatte, und über deren Leben die beiden verbliebenen sich endlos das Maul zerrissen. Unsere psychologische Hilfe hätte also das Ziel verfehlt.)

Klein-Flottbek und Altona

Auf dem Rückweg in die Hamburger City lasen wir auf dem S-Bahn-Stationschild Klein-Flottbek den Zusatz „(Botanischer Garten)“ Botanische Gärten sind immer ein spannendes Thema, vor allem, wenn sie zwischen den Eigenschaften a) „vergessen, verwuchert, lost Place“ und b) „kostet Eintritt, bietet aber nichts fürs Geld“ eine Mittelposition einnehmen. Das war in Klein-Flotbek eindeutig der Fall. Zugehörig zur Universität und gewidmet Loki Schmidt, war der Park genau das Richtige. Für den Besuch der netten Gastronomie hatten wir nach dem Eis vorhin das unpassende Hungergefühl. Der Garten-Shop war nur am Wochenende geöffnet, aber es gab Teiche und nie zuvor gesehene Bambus-Wälder auf dem Gelände. Wir mussten uns beeilen, denn ein verpflichtender Restaurantbesuch mit festem Termin 18 Uhr stand bevor, zuvor war eine Auffrischung bitter nötig. Außerdem wollten wir die Gelegenheit nicht verpassen, in Altona by the way bei Boesner reinzuschauen. 2 Kilometer zusätzlicher, öde-heißer und ungeplanter Fußweg. Wir hatten dort verständlicherweise keine Ruhe und jagten im Galopp durch die Lagerhalle, nicht jedoch ohne etwas zu kaufen.

Dolcetto

Auf den Besuch bei „Dolcetto“ hatten wir uns schon ein halbes Jahr gefreut, seit der Entdeckung am 4. Januar, wo wir zufällig sahen, wie die Omma die selbstgemachten Nudeln im Schaufenster auf eine Leine am Hängen war – Italienerin durch und durch, sie spricht auch nach 60 Jahren in Hamburg kein Wort deutsch, liefert mithin authentisches extrem leckeres Essen in gepflegter Atmosphäre. Soweit die idealisierte Vorstellung. Als wir ankamen, konnten wir zwischen drinnen und draußen wählen. Draußen war alles voll, niemand saß drinnen. Wir wählten ebenfalls außen. Logistisch kriegten sie es nicht hin. Getränke, der obligatorische Gruß aus der Küche und das gewählte Gericht kamen gleichzeitig an. Der junge Kellner sprach zu den deutschen Besuchern italienisch, außer die Wörter, die er nicht kannte, die dann in deutsch. Zum Verhältnis unserer Erwartungen relativ zur angetroffenen Realität, zur Qualität des Essens und des Aufenthalts an sich möchten wir jetzt direkt nichts sagen. Nur soviel: Fleisch oder Fisch lagen nicht auf dem Teller. Weiter ging’s durch die Altstadt (im Krieg platt gemacht, seit 1945 durch ständige Abrisse und Neubauten gekennzeichnet) an Binnen- und Außenalster vorbei bis zum bereits bewährten Café Hansa Steg, um dort ein Abendbierchen zu trinken, wahlweise einen Weißwein (Chardonnay, Sauvignon Blanc, etc. aber keinen Grauburgunder). Doch seit 20 Uhr war geschlossen. Auch die zum Bersten volle Spanische Treppe am Mundsburger Damm hätte uns gefallen.  So nahmen wir in unserem Apartment noch ein schönes, preiswertes Mineralwasser ein, das wir morgens bei Edeka gekauft hatten. Dazu wählten wir die andere Hälfte des Rossmann-Bio-Plätzchens vom Vortag. Dann waren wir platt.

By the way

  • Wie oft wir in den 45 Stunden Aufenthalt in die U- oder S-Bahn gestiegen sind, können wir nicht mehr exakt sagen. Nie mussten wir länger als 2 Minuten warten – meistens gar nicht.
  • Mit dem Stadtviertel hatten wir Glück. Nordöstlich der Alster sind die Wohn- und Geschäftsgebiete meistens grüne Alleen mit gehobenen Stadthäusern und Villen. Uhlenhorst hätte als Essen- und -Ausgehen-Ziel gereicht. Von Zuhause aus Restaurantplätze zu reservieren, war unnötig überorganisiert.
  • Um die Ecke lag das Alster-Bad, das größte Hallenbad in Hamburg. Dass es seit 1973 besteht, wäre nur an der äußeren Bauform zu erkennen gewesen. Ein wenig stutzig waren wir, und fragten uns, wieso man die Dachlandschaft in Schmetterlingsform entworfen hatte – da hielten wir es noch für nagelneu. Tatsächlich war das Bad 2020 bis 2023 generalsaniert und erweitert worden, mit unglaublichem Ergebnis.
  • Am Steindamm konzentrieren sich große Hotels für die Hamburg- und Musical-Touristen. Er ist aber auch ein Epizentrum der türkisch/arabischen Lebensmittelgeschäfte und halalen Schlachtereien. Da liegt eins am anderen.
  • Und nie zuvor außer 2016 im Ammerland hatten wir soviel blühenden Rhododendron gesehen.

Bildergalerie

Auf die Mitnahme einer Kamera hatten wir bewusst verzichtet. Alle Fotos entstanden mit dem Google Pixel 7.
Und man sieht: Das Handy pfeift leider aus dem letzten Loch.

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